Frühjahrskonvent 2021

Lust auf Veränderung

Präses der EKD-Synode zu Gast im Konvent der Pfarrvertretung

Konvent digital mit Präses Dr. Schwaetzer

Zum turnusmäßig stattfindenden Konvent der Pfarrvertretung am Mittwoch, 17. März 2021 begrüßte der Vorsitzende, Pfarrer Peter Stursberg aus Koblenz, die Präses der EKD-Synode, Frau Dr. Irmgard Schwaetzer. In der Videokonferenz mit den fast vollständig anwesenden Wahl- und Kontaktpersonen aus allen rheinischen Kirchenkreisen gab Frau Dr. Schwaetzer sich als Rheinländerin zu erkennen – lange Jahre lebte und arbeitete sie in Düren.

Die Pfarrvertretung hatte die Präses eingeladen, um mit ihr über die „Zwölf Leitsätze zur Zukunft einer aufgeschlossenen Kirche“ ins Gespräch zu kommen, die die EKD-Synode im Herbst 2020 beschlossen hat. Frau Dr. Schwaetzer betonte, dass das Zukunftspapier auf EKD-Ebene verbindlichen Charakter habe. Grundlage der ebenfalls beschlossenen Finanz- und Digitalisierungsstrategie seien die Leitsätze, an denen man sich bei allen Überlegungen zur Zukunftsplanung messen lassen müsse. Dies gelte auch für das Sparziel auf EKD-Ebene: Bis 2030 wolle man 30% an Finanzmitteln einsparen. Einerseits gehe es darum, Aufgaben und Dienste aufzugeben, die als resonanzlose Routine zu bewerten seien. Andererseits wolle man – auch kurzfristig – Spielräume für Neuerungen nutzen. Leitgedanke sei nicht, dass man in der Zukunft kleiner, sondern dass man anders werde. Es gehe nicht um Schrumpfung, sondern um einen Prozess der Neustrukturierung.
Die Präses hob hervor, dass das Reformationsjubiläum 2017 den Impuls gesetzt habe, um konzentriert der Frage nachzugehen: Wie erreichen und sichern wir als evangelische Kirche dauerhaft Resonanz in der Öffentlichkeit unserer Gesellschaft? Damals habe man Lust auf Veränderung verspürt. Nur am Rande ging sie auf die Kritik ein, die die erste Fassung des Zukunftspapiers im Sommer 2020 ausgelöst hatte: Es sei nie um ein neues Bild von Kirche gegangen. Vielmehr habe man mit der Veröffentlichung schon im Vorfeld der Synode die unterschiedlichen Ebenen der Kirche in einen Diskurs verwickeln wollen. Frau Dr. Schwaetzer betonte, es sei weiterhin Teil der Selbstverantwortung auf allen Ebenen der Kirche, die dringend gebotenen Diskussionen weiterzuführen.
Große Aufmerksamkeit im Plenum löste die Feststellung aus, dass es weniger um eine Strukturkrise gehe. Sie sehe die Kirche in einer geistlichen Krise, die dazu führen müsse, dass wir uns zuerst selbst befragen. Von daher stehe in den Leitsätzen an erster Stelle auch die Frömmigkeit – wer sich mit seiner Frömmigkeit auseinandersetze und sich dazu befragen lasse, setze sich mit zutiefst persönlichen Fragestellungen auseinander. Unser Kommunikationsverhalten und unsere Sprachfähigkeit seien zu überprüfen: „Reden wir noch von Schuld und Vergebung, von Sterben und Tod“, so fragte die Präses der EKD-Synode in die Runde der Pfarrerinnen und Pfarrer. Es habe sie irritiert, dass nur Gesundheitsminister Jens Spahn im Kontext der Bewältigung der Pandemie davon gesprochen habe, wir müssten uns viel vergeben – hätte dies nicht vielmehr ein Votum aus dem Raum der Kirche sein müssen? Um Menschen in einem säkularisierten Umfeld in ihren Sorgen und Nöten auch sprachlich erreichen zu können, müsse man deren Lebenswelt kennen.
Sie habe großes Verständnis für Verunsicherung und Ängste, die die anstehenden Veränderungsprozesse auslösten. Zunächst ermutige schon einmal das über den Leitsätzen stehende Psalmwort (Ps 18,20). Ein guter Grund für die Kirche im Übergang sei außerdem die Erinnerung an Christusbindung, Geistverheißung und Liebesgebot.
Die Präses bedauerte, „…dass wir auf den unterschiedlichen Organisationsebenen unserer Kirche nicht immer sehr gut übereinander sprechen“. Es müsse in Zukunft stärker darum gehen, Aufgaben miteinander zu teilen. Und da sei die EKD darauf angewiesen, dass die Landeskirchen ihr etwas zutrauten.
Die öffentliche Kritik am Zukunftspapier fokussierte sich im vergangenen Jahr überwiegend auf die Frage nach der Zukunft der Parochie, also der klassischen „Wohnsitzgemeinde-Struktur“. Frau Dr. Schwaetzer entgegnete, es sei nie um eine Abschaffung der Parochie gegangen, wohl aber um Veränderung: „Wir müssen Veränderung, Ergänzung wollen“, so stellte sie fest. Es gehe um die Entwicklung von Projekten und neuen Gemeindeformen, die neben und als Ergänzung der Parochie ihr Recht haben müssten. „Wir brauchen eine agile Kirche, in der wir voneinander lernen“, so Frau Dr. Schwaetzer. Besonders in den östlichen deutschen Landeskirchen gebe es beachtenswerte Projekte, deren Netzwerkcharakter schon per se öffentliche Resonanz erzeuge. Auf diesem Wege erreiche man auch Menschen, die bisher auf Abstand zur institutionellen Kirche geblieben seien.
Die Herausforderung für die Parochien sieht die Präses insbesondere in der „Beheimatung der Hochverbundenen“. Gleichzeitig müsse man hier offen sein für den Aufbruch in eine veränderte Kirche – man dürfe ihn nicht verhindern, sondern müsse ihn fördern. (PS – 17.03.21)